KI im Recruiting – Programm statt Personaler?

Noch nicht einmal 40 Jahre ist es her, als das allererste Mobiltelefon auf dem Markt erschien. Seitdem hat der technische Fortschritt eine rasante Entwicklung durchlaufen. Aus dem sperrigen Statussymbol von damals sind längst kleine, leistungsfähige Computer für jedermanns Hosentasche geworden. Doch nicht nur die Welt des Telefonierens hat sich verändert. Inzwischen sind Automatisierung und Digitalisierung aus unserem Alltag kaum mehr wegzudenken. Selbst Künstliche Intelligenz ist mit Alexa, Siri & Co in vielen Haushalten eingezogen. Eine Entwicklung, die auch vor dem Personalbereich nicht halt machen wird. Kommt nun die KI im Recruiting zum Zuge? Werden selbstlernende Programme, etwa zur Sprach- und Gesichtserkennung, persönliche Bewerbungsgespräche bald überflüssig machen?

Was kann die KI im Recruiting tatsächlich?

Was vor Jahren noch nach einem spannenden Science-Fiction Szenario klang, ist teilweise schon Realität. Weil Bewerbungsverfahren aufwändig und zeitintensiv sind, setzen zahlreiche Unternehmen auf moderne Technologien im Recruiting. Für mehr Effizienz bei der Bewerbersuche sorgt bereits heute die Anwendung sogenannter Matching-Tools. Dabei durchsuchen Programme Kandidatenprofile und Lebensläufe in Jobbörsen und Netzwerken nach bestimmten Übereinstimmungen mit den Anforderungen des Unternehmens. Dazu finden Chatbots gezielt geeignete Kandidaten und ermöglichen direkten Kontakt mit dem Unternehmen.

Zwar erleichtert das, besonders in grossen Unternehmen, die Vorauswahl von Bewerbern. Aber Jobinterviews werden nach wie vor persönlich durchgeführt. Oder? Jedenfalls gibt es mittlerweile weitere Bereiche, in denen die Künstliche Intelligenz im Recruiting auf dem Vormarsch ist. Beispielsweise sind Systeme zur Spracherkennung in der Lage, innert kürzester Zeit eine Analyse der Bewerberpersönlichkeit abzuliefern. Dabei kommt es noch nicht einmal darauf an, was der Kandidat sagt, sondern der Tonfall allein reicht aus.

Software zur Gesichtserkennung kann anhand eines Bewerbervideos Sprache und Mimik auswerten. Durch den Abgleich mit vorhandenen Mitarbeiterdaten trifft der Algorithmus Aussagen, ob der Kandidat passt – oder aber nicht. Klingt utopisch? Ist es aber nicht. Einige Unternehmen nutzen diese Form von KI im Recruiting bereits. Obendrein sind die Algorithmen ziemlich treffsicher. Heisst das nun, dass der Personaler seinen Hut nehmen darf?

Grenzenloser Einsatz von KI im Recruiting?

Zumindest das wird wohl so schnell nicht passieren. Damit der Algorithmus effektiv lernen kann, braucht es gewaltige Datenmengen. Gerade diese sind im Personalbereich nicht ohne weiteres verfügbar. Je nachdem stehen einer unbegrenzten Datenverwertung auch rechtliche Bestimmungen entgegen. Dazu kommt, dass oftmals die Ressourcen fehlen, diese Daten überhaupt zu sammeln.

Recruiting mittels KI soll vor allem Objektivität gewährleisten. Während der Mensch dazu neigt, im persönlichen Gespräch Vorbehalte aufzubauen, wenn sein Gegenüber etwa bestimmte Worte oder Gesten benutzt, die einem selbst unsympathisch sind, ist ein Algorithmus frei davon. Das stimmt aber nur eingeschränkt. Denn ein Algorithmus kann auch Vorurteile erlernen. Nämlich dann, wenn schon die Daten, die der Mensch zur Verfügung stellt, nicht objektiv sind.

Daneben darf man nicht vergessen, dass ein Algorithmus einer bestimmten Norm folgt. Jemand, der der Norm nicht entspricht, fällt durchs Raster, obwohl er durchaus geeignet wäre. Nebenher ist es ja auch nicht nur das Matching bestimmter Skills, die einen Kandidaten besonders attraktiv machen. Sympathie und die menschliche Passung sind nach wie vor ebenso ausschlaggebend für das gelungene Miteinander im Job. Hier kommt wieder das viel gerühmte Bauchgefühl des erfahrenen HR-Profis ins Spiel.

Finaler Durchbruch lässt (noch) auf sich warten

Künstliche Intelligenz im Recruiting einzusetzen, bringt sicherlich einige Vorteile. Personalverantwortliche müssten nicht mehr mühsam selbst hunderte Bewerbungen durchgehen und zahlreiche Interviews führen. Stattdessen könnten sie sich auf die Vorauswahl des Algorithmus verlassen. Das geschieht vielfach schon. Hingegen sind einige Entwicklungen mit Vorsicht zu geniessen. So sind Algorithmen in der Lage, den gesundheitlichen Zustand eines Bewerbers zu erkennen. Aufgrund dessen eine Personalentscheidung zu treffen, dürfte kaum mit Recht und Gesetz konform gehen.

Aber das grösste Hindernis für den finalen Durchbruch der KI im Recruiting ist der Mensch selbst. Vielfach stehen HR-Verantwortliche den neuen Technologien skeptisch gegenüber und bezweifeln deren Wirksamkeit. Dazu kommt, dass vor allem kleinere und mittlere Unternehmen weder über die erforderliche Technik noch über das Know-how verfügen, um entsprechende Recruiting-Tools nutzen zu können. Daher wird wohl noch einige Zeit ins Land gehen, bis die digitale Transformation vollzogen ist. Aber wer weiss, mit Blick auf den Siegeszug des Smartphones passiert das vielleicht schneller, als wir derzeit glauben.

Foto: Pixabay

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