Arbeitszeiterfassung – ein notwendiges Übel?

Wie viele Stunden haben Sie in der vergangenen Woche gearbeitet? 40, 42 oder sogar noch mehr? Und Ihre Mitarbeitenden? Sind Sie über deren exakte Wochenstunden im Bilde? Die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden festzuhalten, kann im Stress des Alltags schnell einmal ins Hintertreffen geraten. Und auf den ersten Blick scheint das ja auch gar nicht so wichtig zu sein, oder? Schliesslich hat man ja im Arbeitsvertrag eine Regelung dazu getroffen. Gibt es in der Schweiz überhaupt eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung? Diese Frage lässt sich eindeutig mit «Ja!» beantworten. Für alle Arbeitnehmenden, auf die die Vorschriften des Schweizer Arbeitsgesetzes (↗) anwendbar sind, ist die Arbeitszeiterfassung obligatorisch. Ein Verstoss gegen diese Verpflichtung fällt übrigens unter Strafe.

Wozu Arbeitszeiterfassung?

Als legale Form der Überwachung am Arbeitsplatz dient die Arbeitszeiterfassung in erster Linie dem Schutz der Arbeitnehmenden. Sie soll dafür sorgen, dass die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit nicht überschritten wird und die notwendigen Erholungsphasen gewährleistet sind. Damit trägt sie im weitesten Sinne zur Gesunderhaltung der Arbeitnehmenden bei. Ausserdem liefert die Zeiterfassung wichtige Kennzahlen für das Workforce Management.

Auf der anderen Seite müssen Arbeitgeber jederzeit in der Lage sein, zu beweisen, dass die Arbeitszeiten laut Gesetz eingehalten werden (Art. 46 ArG). Das Dokumentieren der Arbeitsstunden gibt dadurch unter anderem Rechtssicherheit gegenüber Behörden. Kommt es zu Unstimmigkeiten bei Über- oder Minuszeiten, können Arbeitszeitunterlagen zur Klärung herangezogen werden.

Wer muss Arbeitszeiten erfassen und in welchem Umfang?

Wie bereits eingangs erwähnt, besteht eine Nachweispflicht über die geleistete Arbeitszeit bei Arbeitsverhältnissen, die dem Schweizer Arbeitsgesetz unterliegen. Das Gesetz regelt auch die Ausnahmen. Wenn aber eine Nachweispflicht vorliegt, muss im Prinzip alles vollständig und systematisch erfasst werden:

  • die tägliche Arbeitszeit mit Beginn und Ende

  • die wöchentliche Arbeitszeit sowie die Lage der Arbeitstage

  • Pausenzeiten ab 30 Minuten
  • Über- und Ausgleichszeiten
  • Ruhe- und Ersatzruhetage (falls diese nicht üblicherweise sonntags liegen)

Grundsätzlich ist die Arbeitszeiterfassung Pflicht des Arbeitgebers – auch beim Personalverleih. Denn der Verleiher gilt hier als Arbeitgeber. Aber Arbeitgeber dürfen ihre Verpflichtung an die Mitarbeitenden weiterreichen, unter der Bedingung, dass sie geeignete Instrumente dazu bereit stellen und regelmässige Kontrollen durchführen.

Welche Instrumente zur Arbeitszeitserfassung gibt es?

Eine bindende Vorschrift, in welcher Form die Arbeitszeiten zu dokumentieren sind, existiert so nicht. Es sind verschiedene Varianten denkbar und zulässig. Theoretisch tun es sogar lediglich Zettel und Stift. Doch im digitalen Zeitalter ist das kaum noch üblich. Die meisten Unternehmen setzen inzwischen auf computergestützte Lösungen. Eine Möglichkeit bietet die Arbeitszeiterfassung mit Excel. Login-Daten und der Einsatz von Badges, die die Verweildauer am Arbeitsplatz elektronisch erfassen, bilden die moderne Variante der guten, alten Stempeluhr. Darüber hinaus erfreuen sich Apps zur Arbeitszeiterfassung immer grösserer Beliebtheit. Diese können – je nach Anbieter – ganz individuell eingerichtet werden. Im Rahmen von Employee Self Services sind Zeiterfassungs-Tools direkt ins Mitarbeiterportal integriert.  Ein fester Schichtplan ist ebenfalls zum Nachweis von Arbeitszeiten geeignet, sofern Abweichungen festgehalten werden. Dasselbe gilt für vertraglich vereinbarte Fixstunden.

Zeit ist Geld. Sparen Sie mit Jobfile Zeit bei der Stellenmarktanalyse und bei der Suche nach den besten Platzierungsoptionen für Ihre Kandidaten. Jobfile bietet Ihnen Zugriff auf eine der grössten Stellendatenbanken der Schweiz. Intelligente Suchfilter erleichtern Ihnen die Arbeit und schaffen mehr Freiraum für Ihre Kernaufgaben. Testen Sie uns sieben Tage lang unverbindlich und ohne Kosten.

Keine Regel ohne Ausnahme: Wer kann auf die Arbeitszeiterfassung verzichten?

Bestimmte Berufsgruppen nimmt das Gesetz von vorn herein von der Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung aus. Dazu gehören zum Beispiel Geistliche, Privatschullehrer oder Handelsreisende. Eine Ausnahme gilt ebenfalls für höhere leitende Angestellte. Nun hat in den vergangenen Jahrzehnten die Arbeitswelt viele Umbrüche erfahren. Neue Arbeitsformen sind entstanden. Viele Menschen arbeiten wesentlich eigenständiger als früher und sie wünschen sich flexible Arbeitszeiten.

Die vom Gesetz bis dato vorgeschriebene systematische Arbeitszeiterfassung würde den Erfordernissen einer modernen Arbeitswelt nicht mehr gerecht – so zahlreiche kritische Stimmen. Gerade in Bereichen, wo zeitlich viel flexibel gearbeitet wird, liessen sich die Vorschriften kaum mehr richtig umsetzen. Als Folge wurde 2016 die Gesetzeslage durch die Revision der Verordnung 1 zum ArG (↗) angepasst und sieht seitdem drei Varianten vor. Neben den höheren leitenden Angestellten können nunmehr auch Arbeitnehmende auf die Arbeitszeiterfassung verzichten, wenn sie:

  • ihre Arbeitszeit zu mindestens 50 % selbst einteilen können,
  • die Gestaltung der Arbeit weitestgehend selbst organisieren und
  • mehr als 120.000 CHF Bruttogehalt (incl. Boni) im Jahr beziehen.

Eine vereinfachte Aufzeichnung ist möglich, sofern Arbeitnehmende mindestens 25 % ihrer Arbeitszeit selber bestimmen dürfen. In diesem Fall genügt die Dokumentation der pro Tag geleisteten Gesamtstunden. Dennoch: Die systematische Erfassung der Arbeitszeiten bleibt Standard für all diejenigen, die bei ihrer Zeiteineinteilung nur wenig oder gar nicht autonom sind. Das betrifft hauptsächlich Arbeitsplätze in der Produktion und solche, wo die Anwesenheit zu bestimmten, festen Zeiten notwendig ist.

Wie wirkt sich die Art der Arbeitszeiterfassung aus?

Flexibilität im Beruf hat viele gute Seiten. Eine bessere Vereinbarkeit von Job und Familienleben beispielsweise. Oder mehr Effizienz, wenn Mitarbeitende in den Stunden arbeiten, in denen sie am produktivsten sind. Andererseits kann Flexibilität genauso Probleme verursachen, wie etwa Stress durch ständige Erreichbarkeit und Mehrarbeit. Die systematische Arbeitszeiterfassung sollte genau das verhindern. Hat nun der Verzicht bzw. die vereinfachte Erfassung der Zeiten in dieser Hinsicht Auswirkungen auf Arbeitnehmende? Dieser Frage ist eine Studie der Universität Genf im Auftrag des SECO nachgegangen.*

Die Kernaussage der Studie: Diejenigen, die die vereinfachte Erfassung nutzen oder ganz darauf verzichten, arbeiten im Schnitt mehr und haben häufiger atypische Arbeitszeiten (abends, samstags und sonntags). Aber bisher konnte ein Zusammenhang zwischen Art der Arbeitszeiterfassung und erhöhtem Stressrisiko nicht festgestellt werden. Allerdings weist die Studie auch darauf hin, dass auf lange Sicht gesundheitliche Auswirkungen durchaus im Bereich des Möglichen liegen.

Auf jeden Fall bleibt Arbeitszeiterfassung ein wichtiges Thema für Arbeitgeber und Arbeitnehmende. Die neuen Regelungen sorgen sicher in vielen Unternehmen für Entlastung bei administrativen Aufgaben. Ob und wie sie das Arbeitsleben insgesamt beeinflussen, wird sich erst im Laufe der Zeit zeigen.

* Mitteilung des SECO vom 29.09.2019 (↗) «Arbeitszeiterfassung: Studie zu den Auswirkungen der neuen Vorschriften von 2016»

Foto: Pixabay.com | anncapictures

Teilen Sie diese Info in den Sozialen Medien oder per E-Mail:

Newsletter