Fehlerkultur – Umgang mit Fehlern im Job
Wie heisst es so schön: «Nobody is perfect». Wieviel Mühe wir uns auch geben, Fehler sind einfach unvermeidlich und unterlaufen uns immer wieder. Ob wir aber den vielgerühmten Lerneffekt daraus ziehen, hängt von unserem Umgang mit Fehlern ab. Gerade im beruflichen Umfeld ist in den vergangenen Jahren der Begriff «Fehlerkultur» zum Schlagwort geworden. Unternehmen schreiben sich eine gute oder gesunde Fehlerkultur auf die Fahnen. Nicht zuletzt, um damit auf Bewerber attraktiv zu wirken. Doch was ist eigentlich damit gemeint? Haben Fehler im Job plötzlich keine Konsequenzen mehr?
Die Angst Fehler zu machen
Wohl die meisten Menschen haben Angst, Fehler zu machen. Das ist kaum verwunderlich. Denn wer hat nicht schon als Kind erlebt, bei Fehlern ausgeschimpft oder zumindest belehrt zu werden? Im Grunde genommen lernen wir so, Fehler möglichst zu vermeiden und fühlen uns schlecht, falls doch welche passieren. Wenn wir etwas nicht richtig machen, ist das im besten Falle bloss peinlich, im schlimmsten Falle fatal. Und das Echo, das wir auf unsere Fehler erhalten, prägt unseren Umgang mit ihnen. Das gilt im privaten Bereich genauso, wie im Job.
Eines der traurigsten Dinge im Leben ist, dass ein Mensch viele gute Taten tun muss, um zu beweisen, dass er tüchtig ist, aber nur einen Fehler zu begehen braucht, um zu beweisen, dass er nichts taugt.
George Bernard Shaw – irischer Dramatiker und Nobelpreisträger (1856-1950)
Selbst in der modernen Arbeitswelt von heute scheinen Fehler immer noch eine Art Tabuthema zu sein. Auf der einen Seite werden sie vertuscht, um nach aussen gut dazustehen. Als Versager gilt ja niemand gern. Andererseits werden sie abgestraft und manchmal steht sogar der Job auf dem Spiel. Das erzeugt Fehlerangst und erhöht den Druck und damit die Wahrscheinlichkeit, dass Fehler sich wiederholen. Wohlgemerkt, es geht nicht um grobes oder gar vorsätzliches Fehlverhalten. Sondern um Alltäglichkeiten, die Sand ins Getriebe von Arbeitsabläufen streuen.
Fehler passieren nun mal und sie sind ärgerlich. Sie auszubügeln, kostet Zeit und Geld. Das geht mit unternehmerischen Interessen nicht konform. Daher zielt das Bestreben meist immer noch darauf, die Fehlerquote möglichst gering zu halten. Doch im offenen, konstruktiven Umgang mit Fehlern können auch Chancen liegen. Beispielsweise lebt agiles Arbeiten davon, Fehler zuzulassen, um daraus neue Lösungsansätze zu entwickeln. Nur braucht man dafür gleich eine ganze Fehlerkultur im Unternehmen?
Was bedeutet Fehlerkultur?
Die Definition von Fehlerkultur fällt nicht ganz leicht. Der Begriff ist dem englischen «Culture of Failure» entlehnt. Dort spricht man auch von einer «Blameless Culture», also einer Kultur der Schuldlosigkeit. Mit anderen Worten, niemand wird für Fehler angeprangert. Stattdessen sollen diese sogar öffentlich gemacht werden, damit jeder daraus lernen kann. Das erfordert aber eine ganz bestimmte Struktur im Unternehmen und kann letztendlich für eine gewisse Leichtfertigkeit sorgen. So ein Konzept von Versuch und Irrtum eignet sich selbstverständlich nicht überall.
Das Gegenteil, die «Blameful Culture», ist geprägt von der Devise: «Fehler sind keine Option». Eine solche Haltung erzeugt wiederum Hemmungen, publik zu machen, wenn etwas schiefgelaufen ist. So können sich fatale Fehlerketten bilden, die man zu spät erkennt. Ausserdem entsteht auf diese Weise eher eine von Angst dominierte Arbeitsatmosphäre und drückt der gesamten Unternehmenskultur einen negativen Stempel auf.
Wie ein Unternehmen mit Irrtümern, Missgeschicken, Pannen und Patzern umgeht, ist ganz unterschiedlich. Auf jeden Fall hat jedes Unternehmen seine eigene Strategie hierzu, was man dann, zunächst wertfrei, als Fehlerkultur bezeichnen könnte. Dabei geht es bei einer guten Fehlerkultur gar nicht so sehr darum, dass nun alle so transparent wie Google & Co. arbeiten. Vielmehr soll sie dafür sorgen, dass Fehler nicht per se zum Stigma werden.
Wie kann man eine gute Fehlerkultur im Unternehmen etablieren?
Während in der Vergangenheit Befehl und Gehorsam am Arbeitsplatz an der Tagesordnung waren, hat sich das Blatt mittlerweile gewendet. Der Mensch ist nicht mehr nur «Arbeitstier». Die meisten Unternehmen haben inzwischen verstanden, dass es gerade ihre Mitarbeitenden sind, die für den Erfolg sorgen. Mitarbeiterbindung, Motivation und Engagement haben heutzutage einen ganz anderen Stellenwert. Trotzdem scheint die Angst, Fehler zu machen nicht verschwunden zu sein. Das liegt daran, dass es uns schwer fällt, ein Scheitern zuzugeben, wenn wir die Konsequenzen nicht abschätzen können. Um eine konstruktive Fehlerkultur im Unternehmen zu etablieren, braucht es vor allem ein Umdenken:
- Die Angst vor Fehlern nehmen, denn jeder Mensch macht welche
- Respekt zeigen, wenn jemand einen Fehler eingesteht
- Ehrlich sein mit eigenen Fehlern
- Keine Schuldzuweisungen, stattdessen gemeinsam nach Lösungen suchen
- Fehler nicht persönlich werten und nicht nachtragend sein
- Kommunizieren, um Fehlerursachen zu finden
Diese Schritte sind keine leichten. Denn sie erfordern ein grosses Mass an Selbsterkenntnis und Eigeninitiative. Sowohl von jedem einzelnen Mitarbeitenden als auch von der Führungsebene. Wie der «richtige» Umgang mit Fehlern auszusehen hat, kann man nicht von heute auf morgen anordnen. Aber als Vorgesetzter kann und sollte man mit gutem Beispiel voran gehen. Schliesslich darf man von seinen Mitarbeitenden nichts verlangen, was man nicht selbst zu geben bereit ist. Dennoch ist eine vermeintlich lockere Handhabung von Fehlern kein Freibrief, leichtsinnig zu werden, weil ja nichts «Schlimmes» passiert. Eine konstruktive Fehlerkultur bedeutet genauso wenig, dass es keine Konflikte mehr geben wird. Aber sie ist eine Chance, die Kommunikation insgesamt und das Miteinander zu verbessern sowie Raum für neue Denkweisen zu schaffen.