Gleichstellungsgesetz 2020: Kommt die Lohngleichheit?

Das Schweizer Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann (GIG) ist seit dem 01. Juli 1996 in Kraft. Doch was beinhaltet das Gleichstellungsgesetz? Das Gesetz wurde aus der Taufe gehoben, um die Gleichbehandlung der Geschlechter im Berufsleben zu fördern. Dabei verbietet es jegliche Art der Diskriminierung, auch in Bezug auf die Bezahlung. Demnach müssten also Frauen und Männer den gleichen Lohn für gleiche Arbeit bekommen. Aber wie steht es wirklich um die Lohngleichheit in der Schweiz? Dem Gender Pay Gap zufolge scheint es hierzulande jedenfalls Nachholbedarf zu geben.

Was ist der Gender Pay Gap?

Als Gender Pay Gap bezeichnet man die Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen. Dazu werden die durchschnittlichen Bruttostundenlöhne miteinander verglichen. Der von Eurostat für 2017 ermittelte Unterschied betrug etwa 17 %. Das heisst, dass Frauen im Monat ungefähr 1455 Franken weniger verdienen als Männer.* Allerdings handelt es sich hierbei um den sogenannten unbereinigten Gender Pay Gap. Immerhin ist ein Teil der Gehaltsdifferenz durchaus erklärbar. Doch was sind die Gründe für den Gender Pay Gap? Frauen arbeiten öfter in Teilzeit und stehen dem Schweizer Arbeitsmarkt wegen Kinderbetreuung oder häuslicher Pflege während ihres Berufslebens im Schnitt zwischen einem und vier Jahren nicht zur Verfügung. Eine geringere Lebensarbeitszeit bedingt also auch eine geringere Gesamtvergütung. Zudem ergreifen sie häufiger Berufe, die von vornherein niedriger bezahlt werden. Böse Zungen behaupten gar, dass sie sich in Gehaltsverhandlungen nicht so gut durchsetzen können.

Equal Pay Day

Der in der Schweiz seit 2009 alljährlich stattfindende Equal Pay Day will auf das Problem des Gender Pay Gap aufmerksam machen. Zuletzt gab es ihn am 22.02.2020. Dabei steht der Equal Pay Day symbolisch für den Tag im Jahr, bis zu dem Frauen quasi umsonst arbeiten.

Wenn man all diese Faktoren ausser acht lässt, ergibt sich dann Lohngleichheit für die Schweiz? Mit anderen Worten, verdienen Frau und Mann das Gleiche, wenn sie vergleichbare Aufgaben in gleicher Position haben? Trotz Bereinigung liegt die Lücke bei den Gehältern immer noch bei ca. 6 %. Wie hoch der Gender Pay Gap tatsächlich ist, kann man nur schwer beantworten. Denn Datenerhebungen und Studien hierzu erfolgen durch verschiedene Institutionen. Sie beruhen nicht auf denselben Quellen und berücksichtigen, je nach Auftraggeber, andere Parameter. Auf jeden Fall gibt es Unterschiede und die resultieren wohl oft aus einem althergebrachten Rollenverständnis, von dem wir uns scheinbar nur schwer lösen können. Weil selbst im 21. Jahrhundert der Mann immer noch als Hauptverdiener gilt, wird weibliche Erwerbstätigkeit abgewertet. Etwas, das mit dem Gleichstellungsgesetz nicht in Einklang steht.

Welche Änderung im Gleichstellungsgesetz ist vorgesehen?

Damit Lohngleichheit für Frau und Mann keine leere Forderung bleibt, hat das Parlament bereits Ende 2018 eine Änderung im Gleichstellungsgesetz verabschiedet. Diese Änderung tritt nun am 01.07.2020 in Kraft und gilt zwölf Jahre lang. Demzufolge sind Unternehmen ab einer Mitarbeitendenzahl von 100 gehalten, innert eines Jahres eine erste Lohngleichheitsanalyse vorzunehmen. Während der zwölfjährigen Geltungsdauer muss die Analyse alle vier Jahre wiederholt werden. Es sei denn, die Anzahl der Mitarbeitenden sinkt unter 100 oder die erste Analyse zeigt, dass Lohngleichheit gewährleistet ist. Weiterhin sieht das Gleichstellungsgesetz in geänderter Form vor, dass die internen Analyseergebnisse durch eine unabhängige Stelle zu überprüfen sind.**

Um die Analyse durchführen zu können, stellt der Bund das kostenlose Lohngleichheitsanalyse Tool «Logib» zur Verfügung. Damit ist die Erfassung der nötigen Daten relativ einfach, schnell und anonym möglich. Aber was wird die Änderung im Gleichstellungsgesetz wirklich bringen? Betroffen von der Neuregelung sind gerade einmal 0,9 % der Schweizer Unternehmen, aber immerhin 49 % der Arbeitnehmenden. Ausserdem sieht das Gesetz keine Sanktionen vor. Ein Blick ins benachbarte Deutschland zeigt, dass dort ein Vorstoss für mehr Transparenz bei den Gehältern ziemlich wirkungslos verpufft ist.

Lohngleichheit in der Schweiz – Unternehmen sind gefragt

Die Lohngleichheit zwischen Mann und Frau ist ein Thema, das uns bestimmt noch länger beschäftigen wird. Doch Schweizer Unternehmen, die der Problematik immer noch gleichgültig gegenüber stehen, könnten sich nunmehr Reputationsverlusten gegenüber sehen. Wenn eine Lohngleichheitsanalyse unerklärliche Differenzen offenbart, gegen die nichts unternommen wird, sind gehäufte Lohnanpassungsklagen eine wohl logische Folge. Dazu muss man aber auch erwähnen, dass eine ungleiche Bezahlung nicht unbedingt absichtlich erfolgt. Beim Thema Gehalt spielen häufig subjektive Aspekte, wie etwa Sympathie, eine Rolle. Weiterhin ist es nicht leicht zu definieren, was genau gleichwertige Arbeit ausmacht. Selbst wenn Mitarbeitende identische Aufgaben haben, kann man Faktoren wie Betriebszugehörigkeit, Berufsbildung und individuelle Kenntnisse nicht aussen vor lassen.

Damit Lohngleichheit tatsächlich funktioniert, müssen die Mechanismen der Lohngestaltung für alle nachvollziehbar und transparent sein. Grundlage dafür ist eine gute Kommunikation und Zusammenarbeit im Unternehmen. Wer als Unternehmer dem Gleichstellungsgesetz einen Schritt voraus sein möchte, kann sich sogar zertifizieren lassen. Das Label der unabhängigen Stiftung «Equal Salary» bescheinigt einem Betrieb, dass dort die Lohngleichheit von Frau und Mann kein leeres Wort ist. Und das ist natürlich einerseits gut für das Employer Branding. Nebenher steigert es auch das Ansehen bei Kunden und Geschäftspartnern. Aber die Maxime gleicher Lohn für gleiche Arbeit schreibt nicht nur das Gleichstellungsgesetz vor, sie muss zuerst in den Köpfen ankommen.

Fotos: Pixabay

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